Katalog Raumortpraxis 2022
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Impulse für neue Lebensentwürfe

Ideen für die Niederrheinische Bucht
Hoidn Wang Partner

Stiftung Insel Hombroich
Wasmuth Zohlen Verlag



Gestaltung ist ein Prozess. Prozesse benötigen Zeit und Überlegungen. Überlegungen finden in einem Kontext statt. Kontexte umgeben uns unmittelbar als Raum; sie existieren aber auch im Zeitraum, in der Schichtung von Geschehnissen. Aus Überlegungen in Bezug zu Raum und Zeit entstehen Ideen, Konzepte und Visionen, die alle einen Beitrag zur Zukunft leisten, wenn sie denn verwirklicht werden.

Jede Person hegt für sich und seine Mitmenschen Ideen, Konzepte und Visionen. Manche bescheiden sich auf privates Glück, andere sind ambitionierter und beeinflussen die Lebensgewohnheiten von Gruppen von Menschen, von Gemeinschaften, ja ganzen Bevölkerungsschichten. Diese reichen von alternativen Landwirtschaften bis hin zu neuen Formen der Mobilität. Die Lebensgewohnheiten im Zentrum Europas haben sich im letzten halben Jahrhundert stabilisiert und verstetigt. In der Niederrheinischen Bucht sicherten Landwirtschaft, Industrie und Energiewirtschaft den Wohlstand der Region und der Mehrwert aus dieser wirtschaftlichen Entwicklung drückt auch sich in der Siedlungsstruktur aus: von großen Industrieanlagen über eine Vielzahl an überschaubaren, mittelständischen Betrieben samt Einfamilienhäusern an allen Stadträndern; verbunden mit einem dichten Netz von Autobahnen, Landstraßen, Wasserstraßen und Gleisanlagen.

Seit einigen Jahren ist aber klar, dass vorangegangenen Lebensgewohnheiten und ihre räumliche Verwirklichung langfristig nicht mehr tragfähig sind. Die Ausbeutung des Bodens, ob durch den Braunkohletagebau, durch die intensive Landwirtschaft, durch den Flächenverbrauch mittels einstöckigen Gewerbebauten und Einfamilienhäusern, sowie die CO2-Emissionen aus Industrie und Verkehr und das steigende Müllaufkommen sind regionale Beiträge zum globalen Klimawandel.

Neben den gesellschaftlichen Verwerfungen, die durch den Abbau und Transfer von Industrien in den letzten Jahrzehnten in den westlichen Industriestaaten entstanden sind, haben die SARS-COV2-Pandemie, die Blockade des Suezkanals und die russische Invasion in die Ukraine die Verwundbarkeit der Menschheit aufgezeigt. Der Globalisierungsprozess wird aufgrund der realen Unterbrechungen von Lieferketten und der nicht mehr hinnehmbaren Abhängigkeiten zunehmend infrage gestellt. Was muss, was könnte in Zukunft – wieder – aus der Region kommen? Die Liste der Dinge ist lang und reicht von Atemschutzmasken bis zur Elektronik, von Nahrungsmitteln bis zur Energie. Erneuerungen und Wiederbelebungen von Herstellungsmethoden und Produkten werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht nur in der Niederrheinischen Bucht Konjunktur haben. Aus diesem Prozess werden sich langfristig neue Lebensentwürfe entwickeln, die wiederum räumlich neu umgesetzt werden.

Die hier vorliegenden Überlegungen zur Gestaltung der Zukunft erörtern mögliche und notwendige Rahmenbedingungen.

Wie könnte eine eigenständige, regionale Kreislaufwirtschaft einen Beitrag zur Stärkung der ökologisch-gesellschaftlichen Widerstandsfähigkeit einer Region leisten?

Welches Verhältnis zwischen Menschen und Natur wollen wir aus dem Bestand heraus f¨r die Zukunft entwickeln?

Welchen Raum brauchen die zukünftigen Siedlungsentwicklungen?

Was wollen wir produzieren, wie wollen wir arbeiten, wie wollen wir uns in der Region bewegen?

Können wir Baumaterial aus Bauschutt gewinnen? Könnten Mehrzweckbauten Wohnen, Arbeiten, Produktion und gemeinschaftliche Nutzungen verbinden?

Können Alltagsgegenstände wie Möbel aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden?

Zu diesen Fragen geben wir in diesem Buch illustrierte Antworten. Sie sollen zum Nachdenken anregen und dem Prozess der Zukunftsgestaltung ein Fundament geben.